server-sunset | Martin Kugler, 2021

Albert Einstein hatte im Jahr 1905 die zündende Idee: Wenn Lichtteilchen auf ein Halbleitermaterial prallen, werden Elektronen aus ihren Bindungen gelöst. Diese Ladungstrennung ist die Basis der Photovoltaik – und damit auch unserer Anstrengungen, der Herrschaft von Erdöl und Erdgas zu entrinnen und stattdessen mit Solarzellen die Kraft der Sonne zu nutzen.

An den Paneelen geht die stete Sonneneinstrahlung freilich nicht spurlos vorüber. Wenn der Glas-Kunststoffverbund, in dem die aktiven Solarzellen eingeschlossen sind, vergilbt und sich mit der Zeit löst, dringt Feuchtigkeit ein, dies führt zu Korrosion, zu Kontaktfehlern, zu wurmfraßartigen Strukturen, zu Kurzschlüssen. Die Energie hinterlässt deutliche Spuren im Material – aus großindustriell gefertigten Standard-Paneelen werden mit der Zeit individuelle Einzelstücke. Hier knüpft die Solarmodul-Assemblage Judith Fegerls an den Hauptstrom ihres Werkes an: Fegerl ist genau an jenen Strukturen interessiert, die von Energie erzeugt werden: In ihnen wird das Potenzial sichtbar, das in Energie steckt.

Was geschieht aber mit den gealterten Paneelen, die nicht mehr optimal funktionieren? Viel zu oft landen sie auf Deponien, viel zu selten werden sie recycelt. Doch Forscher versuchen auch, ihnen durch innovative Reparaturmethoden eine verlängerte Lebensspanne einzuhauchen – ein „2nd life“, in dem sie noch einmal ihr Potenzial ausspielen können.

Darauf nimmt der Titel der Skulptur – (server) sunset – Bezug: Er verweist nicht nur auf die Sonne als energietreibendes Element, sondern beschreibt auch das Erreichen des Verfallsdatum eines Produktes; das können Computersysteme genauso wie Photovoltaikpaneele sein. Das Wort „server“ deutet überdies darauf hin, dass Technologie meist ein dienendes Element ist und selten für sich selbst steht.

Auch Fegerl gibt den Paneelen ein zweites Leben: Auf Kniehöhe montiert, können die neun Paneele unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlicher Leistung, Dimension und Machart für sich als solitäre Objekte wirken. Ihrer Funktion als Stromproduzenten beraubt, dürfen sie am sonnigen Hang des Skulpturenparks – passenderweise auf einer ehemaligen Mülldeponie – ihren Lebensabend verbringen.

Man hat direkte Aufsicht auf die Solarzellen – normalerweise sind sie ja hoch oben auf Dächern montiert oder stehen abgeschlossen hinter Zäunen. Dadurch werden die unterschiedlichen Architekturen, Materialien und Oberflächen mit ihren ästhetischen Qualitäten wahrnehmbar – etwa gewebeartige Strukturen, an Science Fiction der 1960er-Jahre erinnernde Anordnungen oder das Schillern von polykristallinem Silizium. Deutlich sichtbar sind auch die Folgen des jahrzehntelangen Gebrauchs und die Spuren der Forschungsarbeiten, bei denen Fehlerstellen herausgeschnitten wurden, um sie näher zu untersuchen.

Die Skulptur wirft zentrale Fragen des Anthropozäns auf. Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Mensch und Technologie? Welche Rolle spielt Energie in unserem Leben? Welche Spuren hinterlässt sie? Wie steht es um die Rezyklierbarkeit der Artefakte, die wir schaffen? Und welches Potenzial steckt noch in den Dingen, die wir ausscheiden?